Mein Besuch im Projekt Salva-Dor – Ein Appell

Früh am Morgen machte ich mich auf den Weg nach oben, um das Projekt Salva-Dor zu besuchen und die Erzieherinnen und Kinder zu begrüßen. Für viele begann der Arbeitstag mit vielen Aufgaben und Herausforderungen. Für eine Frau, die ...

Mein Besuch im Projekt Salva-Dor – Ein Appell
Drei Kinder spielen mit bunten Holzklötzen und einer Puppe.

Die Pandemie hat für viele Meschen die bisherigen Einkommensquelle erschüttert.

In der São Lázaro Gemeinde, wo der Lebensunterhalt ohnehin auf unsicheren Füßen stand, hat sie gravierende Spuren hinterlassen. Die Sicherung des Lebensunterhaltes scheint jetzt für viele Familien eine unüberwindbare Aufgabe darzustellen. Die Risikofaktoren haben für die meisten Familien zugenommen. Der Drogenhandel hat die Gemeinde erreicht, die psychosoziale Belastung führte bei Vielen zur Steigerung von Alkohol- und Drogenkonsum sowie zu Kriminalität. Die vulnerable Lebenssituation der Familien spiegelt sich unmittelbar in den Spielen der Kinder wider. So sind das Nachspielen von Gewaltszenen zwischen Polizei und Drogenhändlern zu den beliebtesten Rollenspielen der Kinder geworden.

im Mittelpunkt sechs Personen des Projekts.im Mittelpunkt sechs Personen des Projekts.
Foto mit Mitarbeiterinnen des Projekts.

Das Projekt Salva-Dor liegt an der Küste der Stadt Salvador im Bundestaat Bahia. Aus dem eher wohlhabenden Stadtteil Ondina gelangt man über verschiedene Wege und Gassen oben auf dem São Lázaro Hügel. Der Himmel ist meistens blau, wie das Meer, das von oben mit einem weiten Blick zum türkisblauen Horizont zu bewundern ist. Der Weg bis zum Projekt Salva-Dor offenbart den täglichen Kampf dieser Menschen um ein würdiges Leben. Kaum eine Infrastruktur wird auf diesem Weg vom Staat gewährleistet. Selbstorganisierte Mülldeponien, Fassaden, improvisierte Dächer, Wasser- und Stromversorgung offenbaren die Resilienz einzelner Menschen, die mit unterschiedlichen Mitteln sich bemühen, einen menschenwürdigen Lebensraum zu schaffen.

Früh am Morgen machte ich mich auf den Weg nach oben, um das Projekt Salva-Dor zu besuchen und die Erzieherinnen und Kinder zu begrüßen. Für viele begann der Arbeitstag mit vielen Aufgaben und Herausforderungen. Für eine Frau, die bereits betrunken mitten auf der Straße saß, offensichtlich nicht. Für sie bot dieser Tag keine Perspektive, keine Aufgabe. Jedenfalls keine, die sie an diesem Morgen bewältigen könnte. Auch ihre fünf Kinder im Alter zwischen 2 - 12 Jahren spielten an diesen Morgen frei, den Abenteuern und Risiken der Straße eines sozialbenachteiligten und prekären Wohngebietes ausgesetzt.

Im Projekt Salva-Dor angekommen, öffnete sich eine andere Welt. Ein geschützter Raum der Liebe, der Einfühlsamkeit, der Fürsorge. Es war Mittagsschlafzeit. Die Kinder hatten bereist gegessen und ruhten sich in der Höhle ihrer Gruppenräume aus, unter der Aufsicht ihrer Erzieherin Rosângela. In der Küche erzählte mir die Köchin Selma Ribeiro mit großer Begeisterung, was es zum Essen gab. Zudem gab sie mir das Rezept für ein Hausmittel gegen Husten, was sie gerate mit verschiedenen Kräutern und Wurzeln aus der Region zubereitete und sehr gut wirke. Die Mitarbeiterinnen des Projektes Salva-Dor und ihre Erzählungen, wirkten für mich wie wahre Engel dieser Kinder. Vor allem, weil ich wusste, dass sie seit einigen Monaten unentgeltlich arbeiteten und das Essen, was sie dort servieren, zum Teil aus ihren eigenen Haushalten mitgebracht wurden.

Viele Umstände haben seit der Corona-Pandemie auch die Arbeit der Erzieherinnen im Projekt Salva-Dor erschwert. Staatliche und private Partnerschaften und Kooperationen sind seitdem zusammengebrochen. Ich fragte mich, woher die Erzieherinnen die Liebe und die Kraft schöpften, hier weiterzuarbeiten und für diese Kinder mit einer solchen Hingabe da zu sein. Möglicherweise tun sie es, weil sie genau wissen, was ihre Arbeit für die Entwicklung jedes einzelnen Kindes bedeutet. Als könnten sie genau einschätzen, wo die Kinder wären und womit sie sich beschäftigen würden, wenn es das Projekt Salva-Dort nicht gäbe. Und ja, sie wissen es ganz genau, denn sie sind alle dort aufgewachsen. Möglicherweise finden auch sie, die Erzieherinnen des Projektes Salva-Dor, in ihrer pädagogischen Tätigkeit und in dieser Gemeinschaft einen Ort der Fürsorge und der Liebe, der ihnen Halt für ihren harten Kampf um ein menschenwürdiges Leben gibt.

Ich verließ das Projekt Salva-Dor mit gemischten Gefühlen. Gefühle der Bewunderung und der Empörung, der Hoffnung und der Ohnmacht.

In Berlin angekommen, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich weiterhin für diese Arbeit, für diese Gemeinschaft und für die 40 Kinder im Alter von 2-13 Jahren des Projektes Salva-Dors einzusetzen.

Die Köchin bereitet das tägliche Mittagessen vor. Es stehen Töpfe auf einem Gasherd.
Die Köchin bereitet das tägliche Mittagessen vor.

Seit 24 Jahren leistet das Projektes Salva-Dor Widerstand. Widerstand gegen eine gesellschaftliche Struktur, die Menschen ignoriert und ausgrenzt. Es ist ein Kampf um die Rechte der Kinder. Das Recht auf eine gesunde physische, seelische und geistige Entwicklung. Das Recht auf eine angstfreie Umgebung für ihre Freizeitgestaltung, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben.

Eine Renovierung des Gebäudes ist längst überfällig! Jedes Engagement, jede Unterstützung wird dringend benötigt und ist herzlich willkommen. Macht mit! Beim Wow-Day, bei der Übernahme von Patenschaften und ehrenamtlichen Unterstützung oder durch eine Spende über die Freunde der Erziehungskunst,Projekt Salva-Dor, Nr. 6620!

Vielen Dank,
Andrea Naka Marinkovic

Ehrenamtliche Mitarbeiterin
Lehrerin an der Freien Fachschule für Sozialpädagogik Berlin