Das brasilianische staatliche Sozialsystem besteht hauptsächlich aus der Bolsa Familia. Die aktuelle Regierung des Rechtspopulisten Bolsonaro reduziert das Programm drastisch. Auch die Familien in Sao Lázaro leiden unter den Konsequenzen.
Die Bolsa Familia (Familienförderung) stellt eine Grundsicherung für Familien dar. Sie unterstützt Familien, deren gemeinsames Einkommen unter einen Grenzwert fällt. Die Zahlungen sind an Bedingungen, wie den Schulbesuch der Kinder, obligatorische Impfungen gebunden. Eingeführt 2003 unter dem damaligen Präsidenten Lula wird die Bolsa Familia international als großer Erfolg gewertet, da der Effekt zur Armutsbekämpfung in Relation zu den Kosten des Programms relativ hoch ist. Im Zuge des Sozialprogramms, das Politikfelder, wie Gesundheits-, Bildungs-, Familienpolitik und Gleichstellungspolitik beinhaltet, wurde die Armutsrate nach wissenschaftlichen Schätzungen um 12 % bis 18 % (zwischen 2003 und 2009) reduziert. Außerdem werden sank die Einkommensungleichheit, die Kinderarbeitsrate und Verbesserungen in der Bildung werden mit dem Programm in Verbindung gebracht. Mit dem konstitutionellen Putsch gegen Dilma geriet auch die Bolsa Familia unter Präsident Temer in Gefahr. Nachfolger Bolsonaro führt die Demontage des Programms und damit die Reduzierung der Einkommensumverteilung fort. Während er eine 13. Auszahlung versprach nahm er geplante Erhöhungen zurück und erschwert den Zugang zu den Geldern erheblich. In den letzten Tagen wurde öffentlich, dass 1 Millionen Familien auf die Neuaufnahme in das Programm warten und auf absehbare Zeit keine Zahlungen erhalten. Ebenso wurde die Quote der Wiederaufnahmen nach einer Bezugspause stark reduziert. Die Armutsrate stieg auf den höchsten Wert seit 2012. Die Verknappung der Zahlung ist eine politische Entscheidung und entspricht einer erheblichen Kürzung der Sozialausgaben. Ökonomisch ist die Entscheidung fragwürdig, da die meisten Familien das Bolsa Familia-Geld nicht sparten, sondern direkt wieder ausgaben. Durch relativ hohe Konsumsteuern floss ein großer Anteil des Geldes an den Staat zurück. Die Ausgabenkürzungen führen somit auch zu geringeren Staatseinnahmen. Viele Einwohner von Sao Lazaro waren Profiteure des Aufschwungs unter Lula und Dilma. Der Konsum wurde dementsprechend gesteigert, oft mit Hilfe von Krediten. Durch den ökonomischen Abschwung der vergangenen Jahre und verloren viele ihre Jobs wieder. Viele Familien sind auf die Bolsa Familia angewiesen, erhalten aber keine Zahlungen. Die Konsequenz: das wenige vorhandene Geld fließt in die Tilgung von Krediten und lebensnotwendige Ausgaben. Das verfügbare Einkommen liegt in vielen Fällen unter dem Existenzminimum. Mehrere Familien von Kindern des Projeto Salva Dor sind wieder akut von Armut betroffen. Das Projeto hilft den Kindern, indem es einen Freiraum zum Spielen schafft und die Kinder mit drei Mahlzeiten am Tag versorgt. Es steht Eltern als Ansprechpersonen zur Verfügung, oft wenden diese sich mit ihren Sorgen an die Erzieher*innen. Das fehlende Geld führt nicht nur zu leeren Tellern sondern hat auch soziale Spannungen in Familien zur Folge, da diese als soziale Stütze wieder mehr Bedeutung erhält.